Chemikalien richtig lagern
Betriebe, in denen mit gefährlichen Stoffen oder Zubereitungen umgegangen wird, müssen eine Ansprechperson für Chemikalien benennen. (Foto: zVg.)
Wenn es darum geht, Chemikalien richtig zu lagern, gibt es viel zu beachten. Einen ersten Einblick ins Thema vermittelt Christophe Baumann, Spezialist für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Gefahrengüter.
Autorin: Sabine Born, Up
Können Sie anhand eines Beispiels aufzeigen, welche Folgen eine falsche Lagerung von Chemikalien haben kann?
Christophe Baumann: Anlässlich einer Gefährdungsermittlung in einem Betrieb sind wir kürzlich auf eine PET-Flasche mit einer unbekannten Flüssigkeit gestossen, die nicht etikettiert war. Das ist in mehrfacher Hinsicht gefährlich: Jemand könnte aus der Flasche trinken, und je nach Flüssigkeit ist PET für die Lagerung ungeeignet. Es könnte sich auflösen und sollte deshalb sofort entsorgt werden.
Welche Stoffe aus dem Bereich Facility Management gelten als gefährlich?
Christophe Baumann: Zum Beispiel starke Entkalker, Abflussreiniger, Säuren und leicht brennbare Flüssigkeiten wie Lösungsmittel. Oder Ethylenglykole, die zum Beispiel in Fenster- und Bodenreinigern vorkommen. Sie zählen zu den CMR-Stoffen, die schwere und irreversible Gesundheitsschäden verursachen können.
Was heisst das?
Christophe Baumann: CMR-Stoffe sind krebserregend (Engl. carcinogenic), können das Erbgut verändern (mutagen) und unfruchtbar machen oder den Fötus im Mutterleib schädigen (reproduktionstoxisch). Zu erkennen sind CMR-Stoffe am GHS08-Piktogramm (Torso) auf dem Gebinde und an den Angaben in Abschnitt 2 der Sicherheitsdatenblätter. Oft ist den Mitarbeitenden gar nicht bewusst, dass sie mit derart gefährlichen Chemikalien umgehen.
Was raten Sie im Umgang mit CMR-Stoffen?
Christophe Baumann: Unbedingt Massnahmen für den sicheren Umgang ergreifen, die Mitarbeitenden im Umgang mit solchen Gefahrenstoffen instruieren und wo immer möglich CMR-Stoffe durch ungefährlichere Mittel ersetzen.
Sie haben am Anfang von einer Gefährdungsermittlung gesprochen – was ist damit gemeint?
Christophe Baumann: Die Gefährdungsermittlung bildet die Basis für eine nachhaltige Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz im Unternehmen. Erst wenn die Gefährdungen bekannt sind, können diese vermindert werden. Die Gefährdungsermittlung muss periodisch wiederholt werden. Da sich das Unternehmen fortwährend verändert, ändern sich auch dessen Gefährdungen. Manche fallen weg, andere kommen dazu. Wie neue Maschinen, neues Personal, neue Prozesse oder andere Gefahrstoffe.
Wie kann ich in meinem Bereich gefährliche Stoffe eruieren?
Christophe Baumann: Am besten systematisch, indem man eine Chemikalienliste erstellt, entweder in einer Excel-Tabelle oder mit einem Tool wie Sichem von der Bundesplattform easygov. Dort kann man alle Chemikalien erfassen – für einige Stoffe gibt es sogar vorgefertigte Einträge, die man übernehmen kann. Das Führen einer solchen Liste ist aufwändig, aber Pflicht. Für kleinere Betriebe gibt es auch einfachere Hilfsmittel, zum Beispiel die Suva-Richtlinie 67204 Gesundheitsgefährdende Chemikalien im Betrieb. Vor der Erfassung empfiehlt es sich, aufzuräumen – also nicht mehr Benötigtes zu entsorgen und für jeden Gefahrstoff zu prüfen, ob es nicht eine weniger gefährliche Alternative gibt.
Wie erkenne ich, ob ein Stoff gefährlich ist?
Christophe Baumann: Über die Gefährlichkeit eines Stoffes informiert das Sicherheitsdatenblatt, das der Hersteller mit dem Produkt ausliefert oder ausliefern sollte, sowie die weltweit gültigen Gefahrensymbole auf dem Produkt selbst. Also die weissen Rauten-Symbole mit rotem Rand. Diese haben 2015 die Gefahrenpiktogramme auf orangefarbenem Grund abgelöst. Alte Etiketten müssen ausgetauscht werden.
Wie und wo lagert man gefährliche Stoffe richtig? Und welche Ausstattung ist dafür notwendig?
Christophe Baumann: Das hängt vom Gefahrstoff und der Menge ab, auch die Zusammenlagerung mit anderen Stoffen ist zu beachten. Im Detail ist alles im Leitfaden Lagerung gefährlicher Stoffe beschrieben. Zusammenfassend kann man sagen: Für Mengen unter 100 Litern oder Kilogramm muss der Zugang geregelt sein und unter den Gebinden sollten Auffangwannen vorhanden sein. Für die Lagerung eignet sich zum Beispiel ein Metallschrank.
Ab 100 und 1000 Kilo gelten schärfere Vorschriften*, mit Lagerung in separaten Schränken oder sogar separaten Brandabschnitten. In dem Fall ist ein Lagerkonzept erforderlich. Bei leicht brennbaren Flüssigkeiten ist zudem an den Explosionsschutz zu denken. Dieser muss den feuerpolizeilichen Anforderungen genügen und Mengen über 25 Liter sind mit einer Auffangschale zu sichern. Werden brennbare Flüssigkeiten im Keller gelagert, ist ausserdem eine Zwangslüftung nötig. Und wer Gefahrenstoffe im Aussenbereich lagert muss auf Witterungsschutz achten und den Zutritt regulieren. Diese Themen sind in den Kapiteln 6 und 7 des Leitfadens geregelt.
Wer ist verantwortlich für die korrekte Lagerung von Chemikalien?
Christophe Baumann: Jeder Betrieb muss eine Ansprechperson für Chemikalien benennen (ChemG Art. 25), dies kann, muss aber nicht der Sibe sein. Wichtig zu wissen: Die Hauptverantwortung liegt bei der Geschäftsleitung, die Linienvorgesetzten tragen die Umsetzungs-, Sibe und Chemikalienbeauftragte die Fachverantwortung. Das bedeutet, dass sie alles gut dokumentieren müssen, zum Beispiel auch alle Schulungen der Mitarbeitenden mit deren Unterschrift.
Ebenfalls wichtig in diesem Zusammenhang: Reinigt ein Unternehmen in anderen Objekten, muss auch dort für eine ordnungsgemässe Lagerung der Chemikalien gesorgt werden. Hier sind die Reinigungsunternehmen und die Auftraggeber in der Pflicht. Und wenn an besagtem Arbeitsort Beschäftigte mehrerer Betriebe tätig sind, müssen sich die Arbeitgeber untereinander abstimmen (Art. 9 in VUV «Zusammenwirken mehrerer Betriebe»).
Was ist bezüglich der Behältnisse von Chemikalien zu beachten?
Christophe Baumann: Chemikalien immer im Originalgebinde aufbewahren und beim Umfüllen aus grösseren Gebinden einen stabilen und gegen den Inhalt beständigen Behälter wählen, am besten in Absprache mit dem Hersteller. Der Behälter darf nicht defekt oder undicht sein und muss mit dem Herstelleretikett versehen sein. Ausserdem sind die Angaben im Sicherheitsdatenblatt zu beachten.
Was wird häufig falsch gemacht oder vernachlässigt, wenn es um die Lagerung von Chemikalien geht?
Christophe Baumann: Oft wird die Gefahr unterschätzt, vor allem mit zunehmender Berufserfahrung, weil man es ja schon immer so gemacht hat. Auch die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) wird oft nicht getragen oder Chemikalien werden falsch gelagert. Auch fehlende Etiketten auf neuen Behältern oder falsches Umfüllen müssen wir häufig beanstanden. Ausserdem werden Mitarbeitende – vor allem Externe – oft nicht kontrolliert und Reinigungsmittel falsch eingesetzt, zum Beispiel überdosiert oder direkt auf die Oberfläche statt auf das Tuch gesprüht. Und auch der Mutter- und Jugendschutz wird oft vernachlässigt. Werdende oder stillende Mütter und Jugendliche dürfen nicht mit CMR-Stoffen arbeiten. Das ist verboten.
www.alpn-security.ch
* Kantonal gibt es noch weitere Bestimmungen, die berücksichtigt werden müssen. Beispiel Kanton Zürich: Hier braucht es ab 450 Litern eine Bewilligung.