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Neuer GAV Reinigung ab 1. Dezember 2018

Gewerkschaften und Arbeitgeber haben systematische Ausbildung für Menschen mit elementaren Deutschkenntnissen entwickelt

Die Reinigungsbranche führt mit dem neu verhandelten Gesamtarbeitsvertrag am 1. Dezember 2018 nicht nur Mindestlöhne von CHF 4'500 für Gebäudereiniger mit abgeschlossener Lehre EFZ sowie Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit ein. Neu wird der Mindestlohn für Mitarbeitende ohne formale Grundbildung um rund 5% erhöht, wenn sie sich in einem 80 Lektionen umfassenden GAV-Lehrgang weiterbilden. Dafür müssen sie wenigstens elementare Deutschkenntnisse auf Niveau A2.2 beherrschen. Die Gewerkschaften Unia, Syna, VPOD sowie Allpura als Verband der Arbeitgeber sind überzeugt, dass der neue Lehrgang auch Menschen mit eher bildungsfernem Hintergrund den Weg zu weiterführenden Abschlüssen ebnet und sich ebenfalls auf andere Branchen übertragen lässt.

Die Reinigungsbranche der Deutschschweiz führt am 1. Dezember 2018 einen neuen Gesamtarbeitsvertrag ein. Dieser hat es in sich. So wird nicht nur der Geltungsbereich auf die Fahrzeugreinigung ausgeweitet. Neu verdienen die Gebäudereiniger/innen EFZ einen Mindestlohn von CHF 4'500. Damit liegt er deutlich über den Mindestlöhnen nach Lehrabschluss EFZ, die in manchen anderen Branchen bezahlt werden. Eine weitere wesentliche Änderung betrifft die Reinigungskräfte ohne formale Grundbildung. Ab 1. Dezember 2018 steigt ihr Mindestlohn nicht mehr aufgrund des Dienstalters, sondern nach Abschluss des neu entwickelten GAV-Lehrgangs. Den Lehrgang haben die Vertretungen der Arbeitnehmenden und der Arbeitgebenden der Reinigungsbranche gemeinsam aufgegleist. Er ist ein Resultat ihrer Zusammenarbeit in der Paritätischen Kommission der Reinigungsbranche. Gemeinsam haben sie eine innovative Antwort auf die Frage gefunden, wie Mitarbeitende mit elementaren Deutschkenntnissen auf Stufe A2.2 oder/und aus einem eher bildungsfernen Umfeld zu einer systematischen Aus- und Weiterbildung hingeführt werden können. Die Gewerkschaften Unia, Syna, VPOD sowie Allpura als Verband der Arbeitgeber sind der Ansicht, dass der GAV-Lehrgang Reinigung den Einstieg in weiterführende Aus- und Weiterbildungen fördert. Corinne Schärer, Präsidentin der PK Reinigung und Mitglied der Geschäftsleitung Unia, kann sich gut vorstellen, auf Seiten der Gewerkschaft das Modell des GAV-Lehrganges auch auf andere Branchen zu übertragen. Doch zuerst gilt es, Resultate in der Reinigungsbranche zu erzielen. Der aus vier Modulen und 80 Lektionen bestehende Lehrgang setzt Sprachniveau A2.2 voraus. Das heisst zum Beispiel, dass jemand in einfachen Alltagstexten Informationen finden, Etiketten von Reinigungsmitteln lesen und verstehen sowie einfache Anweisungen von Vorgesetzten entgegennehmen kann.

 

Löhne steigen stark an

Mit dem erneuerten GAV befreit sich die Reinigungsbranche von ihrem überholten Image. Irene Darwich, Vorstand PK Reinigung und Vizepräsidentin Syna: «Die Reinigungsbranche ist eine typische Teilzeitbranche. In Branchen mit einem traditionell hohen Anteil an weiblichen Mitarbeitenden beobachtet man ein eher unterdurchschnittliches Lohnniveau. Das gilt auch für die Reinigungsbranche, wenn wir zwanzig Jahre zurückblicken. Heute sieht die Lage deutlich besser aus, und das ist in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig bekannt!» In den letzten 14 Jahren hat die Reinigungsbranche die Mindestlöhne dank dem GAV um fast einen Viertel angehoben. Darwich konkretisiert: «Für UnterhaltsreinigerInnen ohne formale berufliche Grundbildung bleibt der Mindestlohn wie bisher bei monatlich CHF 3'422. Haben sie jedoch Sprachniveau A2.2 erlangt und die 80 Lektionen des GAV-Lehrgangs erfolgreich mit der Abschlussprüfung bestanden, verdienen sie zusätzlich pro Stunde CHF 1 mehr. Dies entspricht einer Lohnsteigerung von 5% – gerechnet auf dem niedrigsten Mindestlohn.»

 

Reinigungsunternehmen brauchen dringend gut ausgebildete Mitarbeitende

Jürg Brechbühl vertritt als Zentralpräsident von Allpura, dem Verband der Reinigungsunternehmen, die Seite der Arbeitgebenden. Er erklärt, dass die Reinigungsunternehmen die Aus- und Weiterbildung stark fördern wollen: «Der GAV ist auf breiter Basis von den Mitgliedern von Allpura diskutiert und für gut befunden worden. Wir nehmen diesen Gesamtarbeitsvertrag sehr ernst. Denn die Branche steht vor grossen Herausforderungen. Die Margen sinken, die Löhne steigen, und die Kunden werden anspruchsvoller. Grössere Mandate werden nicht mehr als «Single Leistungen» vergeben. Wie in der Baubranche werden wir in der Reinigungsbranche bzw. im Facility Management zunehmend Generalunternehmer haben. Auch die Digitalisierung wird Arbeitsabläufe und Prozesse deutlich verändern. Ich persönlich gehe davon aus, dass deshalb in Zukunft die Tagesreinigungen, die heute in vielen Verwaltungen und Gesundheitsbereichen schon selbstverständlich sind, auch in den Büros vermehrt Einzug halten.» Um sich im Markt erfolgreich zu behaupten, muss es den Unternehmungen einerseits gelingen, ihre Dienstleistungen nicht unter dem Wert zu verkaufen und andererseits müssen sie das Angebot an Zusatzleistungen erweitern. Der Allpura-Zentralpräsident: «Wer parallel noch die operativen Tätigkeiten geschickt optimiert, wird die Herausforderungen schaffen. Doch all diese Entwicklungen erfordern noch mehr qualifiziertes Personal, das immer besser auszubilden ist. Ohne dieses geht es nicht!» Jürg Brechbühl hofft auf eine breite Unterstützung der Betriebe für die GAV-Weiterbildung und wünscht sich auch eine gewisse Offenheit der Kunden für allfällige Preisanpassungen. Sein Arbeitgeber wird mit gutem Beispiel vorangehen und ab 2019 den GAV-Lehrgang intern schulen. Bereits 2017 hat das Unternehmen Vebego, mit 6‘000 Angestellten einer der grössten Dienstleister im Facility Service der Schweiz, 48 interne Weiterbildungen mit insgesamt 1‘080 Teilnehmenden durchgeführt.

 

GAV-Lehrgang zeigt: Reinigungskräfte benötigen mehr Kenntnisse

Auch das Unternehmen Honegger AG mit seinen 25 Zweigstellen fördert aktiv die Ausbildung der rund 6’000 Mitarbeitenden. Verwaltungsratspräsident Stefan Honegger erklärt: «Wir haben die ersten beiden Pilotkurse des GAV-Lehrgangs durchgeführt. Zuerst haben wir die möglichen Teilnehmenden identifiziert. In den Regionen Bern sowie Zürich/Ostschweiz wurden Mitarbeitende mit dem Sprachniveau A2.2 ausfindig gemacht. Das waren einerseits Personen, die schon heute die Funktion einer Teamleiterin/eines Teamleiters wahrnehmen und andererseits Mitarbeitende, bei denen wir ein Potenzial für die Weiterentwicklung ausmachten. Für die Umsetzung des Pilotkurses haben wir zwei Gruppen gebildet. Eine Gruppe nahm an der Durchführung in unseren eigenen Schulungsräumlichkeiten in Köniz teil. Die andere Gruppe benutzte die Räumlichkeiten der Allpura-Sektion Zürich. Gilbert Zahnd, unser langjähriger Fachlehrer an der Berufsschule in Olten, schulte beide Gruppen. Begleitet wurde er durch Heribert Marchon, Leiter Ausbildung und Mitglied der Arbeitsgruppe zur Erstellung des Lehrmittels. Er prüfte die praktische Umsetzung des erarbeiteten Lehrmittels. Unser Fazit fällt positiv wie negativ aus: Nach der Durchführung des Kurses erhielten wir viele gute Feedbacks der Mitarbeitenden. Vorgesetzte haben festgestellt, dass die Teilnehmenden des GAV-Lehrgangs selbständiger Probleme lösen, einfache Reparaturen zum Beispiel an einem Hochdruckreiniger ausführen können und insgesamt seltener den Gruppenleiter um Unterstützung anfragen. Bei der Gruppe mit tieferem Sprachniveau ist der Erfolg jedoch weniger spürbar und aus unserer Sicht weniger nachhaltig. A2.2 stellt gemäss unserer Erfahrung das absolute Minimum und effektiv die grösste Herausforderung dar.» Auch 2019 wird die Honegger AG Mitarbeitende an den GAV-Lehrgang schicken. Aufgrund der Grösse der Unternehmung und des Ausbildungsteams, werden die Kurse inhouse durchgeführt. Stefan Honegger: «Wir verfügen über die notwendige Infrastruktur, Geräte und Maschinen und am aller wichtigsten – über erfahrene Dozenten.»

 

Grosses Interesse aus anderen Branchen

Die Durchführung des GAV-Lehrgangs hat bereits begonnen. Die ersten Basismodule sind bereits durchgeführt worden. RA lic.iur. Claudia Hablützel ist Leiterin der Geschäftsstelle PK Reinigung. Sie freut sich über die positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden: «Für manche war dies die erste längere Weiterbildung seit langem. Sie haben diese sehr geschätzt und konnten ihr Wissen bereits gut anwenden. Ihre Freude und ihr Stolz zeigen uns, dass wir mit dem GAV-Lehrgang auf dem richtigen Weg sind und sich die doch immensen Anstrengungen der vergangenen zwei Jahre gelohnt haben.» Die PK Reinigung nimmt auch grosses Interesse aus anderen Branchen wahr. Immer wieder gehen auch Anmeldungen von Personen ein, die nicht in der Reinigungsbranche tätig sind. Sie meint: «Wir benötigen unsere personellen Ressourcen für die Betreuung der Betriebe und Mitarbeitenden der Reinigungsbranche. Das Interesse aus anderen Branchen zeigt aber, wie attraktiv und innovativ das Ausbildungsmodul für Arbeitgebende und Arbeitnehmende ist.»

 

Unterschiedliche Laufbahnen in Reinigungsunternehmen

Roberto Paz (Bild oben) kommt ursprünglich aus Peru, hat als Aushilfe in der Reinigungsbranche angefangen und ist heute als Geschäftsleitungsmitglied der Arag AG in Wabern für 250 Mitarbeitende verantwortlich. Er hat die Weiterbildungen bis zur Höheren Fachprüfung absolviert und spricht fliessend Schweizerdeutsch.

Mateja Vuk (Bild oben) ist die erste Schweizer Meisterin der Gebäudereiniger und ist aktuell im 3. Lehrjahr bei der Firma Vebego. Sie arbeitet (Vebego-Mandat) in einem Alters- und Pflegezentrum im Aargau und hat dort auch täglich Kontakt zu psychisch kranken oder dementen Menschen. U.a. weiss sie, wie man ein Hallenbad oder einen OP-Raum reinigt. Sie hat nach der Lehre Anspruch auf den neuen Mindestlohn von CHF 4‘500.

Perla Mennillo (Bild oben) ist seit 20 Jahren in der Schweiz. Sie ist Unterhaltsreinigerin und Teamleiterin bei der Firma Honegger und in der Zweigstelle St. Gallen tätig. Sie hat an einem der ersten beiden Pilotkurse des neuen GAV-Lehrganges teilgenommen und sagt: «Im GAV-Lehrgang stimmten für mich das Tempo und die Art, wie uns die Arbeit gezeigt wurde. Unser Lehrer ist auch lustig und nicht langweilig. Er versteht, dass wir Ausländer sind und Deutsch nicht unsere Muttersprache ist. Er erklärt langsam und nimmt sich wirklich Zeit. Weiterbildung hilft uns, besser zu arbeiten. Es geht schneller und man weiss, wie man in bestimmten Situationen reagieren kann. Das neue Wissen konnte ich sofort in meinem Team einsetzen. Ich habe den Leuten, für die ich verantwortlich bin, gezeigt, wie gewisse Dinge leichter von der Hand gehen.»

 

Der GAV-Lehrgang in Kürze

Der GAV-Lehrgang beginnt mit dem Basismodul. Es nimmt zum Beispiel die Themen Arbeitssicherheit und Kommunikation mit dem Kunden auf. Der integrierte Erste-Hilfe-Kurs wird zusammen mit dem Samariterbund durchgeführt. Nach dem Basismodul legen die Teilnehmenden eine Zwischenprüfung ab. Diese besteht aus Multiple-Choice-Antworten. Nach bestandener Zwischenprüfung wählen die Teilnehmenden ihr Spezialisierungsmodul. Sie haben drei Optionen: Spezialreinigung, Unterhalts- und Spitalreinigung sowie Fahrzeugreinigung. In den Spezialisierungsmodulen sind die praktischen Übungen sehr wichtig.

 

Zu allen Modulen wurden umfassende Unterrichtsmittel erarbeitet und in den Pilotkursen getestet. Die Unterrichtsmittel werden im gleichen Verlag publiziert, der seit Jahren die anderen Schulungsunterlagen für die Reinigungsbranche herausgibt. Die Kurse sind so detailliert strukturiert, dass alle Kursleiter die gleichen Inhalte auf die gleiche Art und Weise in etwa der gleichen Zeit vermitteln. Damit sich jemand als Kursleiter bewerben kann, muss er oder sie eine Lehre als Gebäudereiniger/in EFZ oder in vergleichbaren Bereichen abgeschlossen haben, über sehr gute Deutschkenntnisse verfügen und die Einführungsschulung für den GAV-Lehrgang «Grundlagen der Reinigung» abgeschlossen haben. Mit Vorteil verfügt die Lehrperson über Erfahrung in der Erwachsenenbildung.

 

Fakten zur Reinigungsbranche

In der Schweiz lebten Ende 2017 rund 2,1 Mio. Ausländerinnen. Knapp 4% sind in Reinigungsunternehmen tätig. Diese beschäftigen in der gesamten Schweiz rund 85'000 Mitarbeitende – darin sind die privat angestellten «Putzkräfte» nicht enthalten. Bei den von Unternehmen angestellten Reinigungskräften beläuft sich der Migrationsanteil auf rund 95%. Das entspricht rund 62'000 Angestellten, die in der Deutschschweiz die Krankenzimmer und Operationssäle, die Läden, Büros, Wellnesscenter, Schwimmbäder oder Sportzentren, Schulen, Kindergärten, Busse, Trams, Züge, Labors oder Lebensmittelproduktionen reinigen. Die Liste der Einsatzorte könnte beliebig erweitert werden.

 

Die Lehre zum Gebäudereiniger/in EFZ und die Höhere Berufsbildung wurden in der Reinigungsbranche seit 1998 eingeführt. Dies und die wachsende Teilnehmerzahl an paritätisch organisierten Weiterbildungen steigerte die Professionalität der Branche deutlich. Ein Teil der rund 3'000 Deutschschweizer Unternehmen ist inzwischen ISO-zertifiziert. Rund 900 Reinigungsunternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitenden sind dem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt. Doch nach wie vor prägen rund 2'300 kleinere, eher kurzlebige Firmen bzw. Einmannbetriebe das Bild der Branche in der Öffentlichkeit. Am anderen Ende der Skala stehen die zehn grössten Unternehmen, die 44% der 65'000 Reinigungskräfte beschäftigen. In rund 40 Betrieben sind mehr als 200 Angestellte tätig. Etwa 160 Reinigungsunternehmen zählen über 50 Mitarbeitende. 300 Unternehmen haben zwischen 10 bis 20 Personen angestellt.

 

«Reine Profis» ist das Engagement der Arbeitgebenden und der Arbeitnehmenden in der Reinigungsbranche der Deutschschweiz. Es fördert die Deutschkompetenz und fachliche Qualifikation der 65'000 Mitarbeitenden aus über 100 Ländern.